Vorgestellt: Nataliya Fenko
Standard-Latein
Tanzen ist ihre Leidenschaft: Von der Ukraine bis ins Kreuzberger Walzer begeistert Nataliya Menschen auf und neben der Tanzfläche. Ob als Tanzlehrerin, Künstlerin oder charmante Motivatorin – sie bringt echte Lebensfreude in jede Stunde.
Wie hast du das Walzerlinksgestrickt kennengelernt?
Das ist jetzt genau 25 Jahre her. Es war beim Silvesterball 1999 im Ballhaus. Mein Mann machte damals mit seinem Trio (Anmerkung: das Trio SCHO) Musik. Ich sprach kaum Deutsch und hatte mich extra auf den Balkon gestellt, um bloß nicht aufzufallen – und damit mich niemand zum Tanzen auffordert. Aber wie das Leben so spielt: Irgendwann tippte mir jemand auf die Schulter, klopf, klopf. Es war ein Moment, den ich nie vergessen werde.
Was fasziniert dich am Ballhaus?
Das Besondere am Walzer ist, dass man seine eigene Welt vergisst und ganz in eine neue, gemeinsame Welt eintaucht. In vielen anderen Tanzschulen bringen die Menschen ihre eigenen Welten mit und bleiben in ihnen – dadurch entstehen viele kleine Parallelwelten im Raum. Doch das Walzerlinksgestrickt ist anders: Hier entsteht eine einzigartige, bunte Welt, in der sich alle vereinen. Es ist ein Ort voller Lebensfreude, Rituale und Traditionen. Es macht unglaublich viel Spaß, Teil dieser besonderen Gemeinschaft zu sein. Es war von Anfang an mein Wunsch, einmal im Ballhaus zu arbeiten – und schließlich wurde er wahr. Was als Schwangerschaftsvertretung begann, hat sich in eine unglaubliche Reise verwandelt. Jetzt unterrichte ich hier bald 20 Jahre – verrückt, oder? Und doch fühlt es sich an, als wäre es erst der Anfang, weil dieser Ort so lebendig und inspirierend bleibt.
Dein Unterrichtstag ist der Montag, da tanzen viele Paare schon ganz lange bei dir.
Diese Montagskurse sind für mich etwas ganz Besonderes. Egal, wie schwer oder stressig der Tag für die Paare war, in der Tanzstunde können sie all das hinter sich lassen. Der schöne Saal, das warme Licht, die liebevoll ausgewählten Möbel, ein Gespräch an der Bar und all die kleinen Details schaffen eine Atmosphäre, die einfach gut tut. Es ist, als würde man für zwei Stunden in ein kleines Event oder eine Mini-Party eintauchen. Die Stimmung ist entspannt und herzlich, die Tänzer genießen ihr Hobby und erleben diese wunderbare Kommunikation, die Tanzen so einzigartig macht. Am Ende gehen alle mit einem Lächeln zurück in ihre eigene Welt – ein bisschen glücklicher und mit der Vorfreude auf den nächsten Montag. Das Ballhaus ist einfach ein Ort, an dem man ganz im Moment leben kann.
Wenn ich Dir so zuhöre, habe ich das Gefühl: Du bist bestimmt eine gute Motivatorin.
Manchmal motiviere ich die Menschen allerdings ganz unbewusst. Einmal habe ich zu einem Paar gesagt: ,Ich bin total begeistert, wie schön ihr zu Hause übt!´ Eigentlich war das als Witz gemeint, aber sie haben es ganz ernst genommen und mir stolz erzählt: ,Ja, wir arbeiten wirklich viel zu Hause.´ (lacht) Tanzen ist eben eine Leidenschaft, die die Menschen mitreißen kann. Im Kurs wird sowieso viel gelacht, und genau diese kleinen, besonderen Momente machen das Leben schöner. Zum Beispiel, wenn ich eine Figur mit einem Schüler vormache. Einige sagen vorher: ,Bitte bloß nicht mit mir!´, aber dann klappt es. Und wie es Tradition ist, klatschen danach alle – gerade für schüchterne Tänzer ist das ein unglaublicher Erfolgsmoment. Solche Erlebnisse berühren mich immer wieder. Zu sehen, wie Menschen über sich hinauswachsen, Selbstvertrauen gewinnen und einfach glücklich sind. Und wenn ich dann höre: „Ich war bei einem Ball und es hat geklappt!“, ist das für mich das schönste Kompliment für meine Arbeit.
Gibt es ein ganz persönliches Erfolgsrezept von Tanzlehrerin Nataliya?
Es ist vielleicht meine Mentalität, die unbewusst mein Geheimnis ist. Anfangs dachte ich, es gäbe bei den Leuten eine Grenze, die ich nicht überschreiten dürfe. Doch dann habe ich gelernt, dass Kommunikation diese Grenzen schnell auflöst und die Distanz immer kleiner wird. Viele Menschen schätzen es einfach, wenn man persönlicher wird und auf sie zugeht. Ich habe fast den Eindruck: Sie sind dann positiv schockiert. (lacht)
Geboren bist du in der Ukraine. Wie bist du nach Deutschland gekommen?
Mein Mann bekam ein Angebot, hier am Theater in Berlin zu arbeiten. Ich blieb in der Ukraine, dort leitete ich eine eigene Tanzschule. Schon mit 6 Jahren hatte ich mit Ballettunterricht begonnen, nach zwei Jahren wechselte ich zu Standard-Latein. Besonders wichtig war die Zeit im Tanzensemble mit vielen Shows und Formationstanz. Mit 17 Jahren sammelte ich dann erste Erfahrungen als Tanzlehrerin. Parallel dazu ließ ich mich zur pädagogischen Grundschullehrerin ausbilden. 1987 bekam ich das Angebot, eine Kindergruppe zu trainieren. Das Gefühl war einfach toll: Ich kann anderen etwas beibringen. Beim lokalen Tanzturnier belegten unsere Paare gleich den ersten und zweiten Platz. Ein toller Erfolg! Aber der Liebe wegen bin ich schließlich nach Deutschland gekommen und hier haben mein Mann und ich unsere Familie gegründet. Das Tanzen ließ mich aber nie los – und ich wollte in Berlin auch etwas Neues lernen. Ab 2001 entdeckte ich Tango Argentino und Salsa Cubana für mich. Ausgerechnet Michael Rühl, der bis heute die TangoNacht im Walzer veranstaltet, war mein erster Lehrer.
Du bist ein echtes Multitalent und malst auch noch. Wie bist du dazu gekommen?
Oh, ich bin keine ausgebildete Malerin. Ich male einfach nach Gefühl – und das mache ich sehr gern. Zu meinem 50. Geburtstag hatte mir mein Mann Farben geschenkt. Während der Corona-Zeit habe ich dann ernsthaft angefangen. Irgendwann wurden es aber zu viele Bilder für unser Zuhause. Zum Glück haben zwei meiner Tanzschulpaare Bilder gekauft, sie haben inzwischen eine kleine Galerie meiner Werke. Und vor kurzem hatte ich meine erste Ausstellung in Jacques’ Wein-Depot. Ich dachte mir gleich: Was für ein guter Ort! Er ist perfekt, weil ich gerne Gläser, Wein und Käse male. Und wenn die Bilder den Leuten nicht gefallen, gibt es wenigstens die gute Musik von meinem Mann und hervorragende Weine. Aber es war ein Erfolg! Jetzt fühle ich mich wie in einem Traum.
… und fotografieren tust du auch.
Ja, schon länger. Ich hatte schon immer den Wunsch zu malen, habe mich aber nie so richtig getraut. Damals dachte ich, die Kamera sei ein einfacherer Einstieg – und das war sie auch. Doch die Fotografie hat mir überraschend viel für das Malen mitgegeben. Durch sie habe ich gelernt, auf Komposition, Licht und Perspektive zu achten, was meinen Blick enorm geschärft hat. Als ich dann schließlich doch mit dem Malen begann, habe ich bemerkt, wie sehr sich beide Hobbys ergänzen. Das Malen hat mich kreativer in der Fotografie gemacht und die Fotografie wiederum hat meinen Umgang mit Farben und Formen beeinflusst.
Du sprichst ein unverwechselbares „Nataliya-Deutsch“. Das ist fast ein Markenzeichen, oder?
Die Leute sagen mir oft: ,Verbessere deine Sprache nicht, bleib so charmant!´ Sie lächeln, wenn hier mal ein Artikel fehlt oder da mal eine Endung. Aber dann sagen sie: „Du sagst das so besonders!“ Wahrscheinlich, weil ich vieles aus dem Ukrainischen 1:1 ins Deutsche übersetze. Mit manchen deutschen Wörtern kämpfe ich schon seit 20 Jahren, wie zum Beispiel dem „Pferdeschritt“ im Slowfox. So spreche ich das eben aus, auch wenn es nicht stimmt – ich kann nicht anders! Aber man muss sich nur zu helfen wissen: Ich halte dann ein Blatt mit „Feder“ in großen Buchstaben hoch oder zeige auf einen Schüler, der seinen Einsatz kennt und dann „Federschritt“ sagt. Am Ende lachen alle –das gehört einfach dazu und macht jede Stunde ein bisschen schöner.
… und mit wem tanzt du am liebsten?
Mit meinem Mann! Und er sagt immer: ,Ich kann nicht tanzen, nur mit meiner Frau.´ Irgendwie führe ich ihn automatisch – selbst wenn ich denke, dass ich gar nicht führe. Vor Jahren haben wir zusammen bei Rita einen Swingkurs im Walzerlinksgestrickt gemacht, der Tanz war für uns beide neu. Jetzt haben wir sogar eine eigene kleine Tradition: Ab und zu feiern wir eine „Swing-Party für Zwei“ in unserer Küche – zum Beispiel zu Silvester. Das klappt, denn mein Mann ist ein echtes Improvisationstalent, und es macht so viel Spaß, einfach drauflos zu tanzen.
Das Interview führte unser Pressesprecher Holger Wetzel mit Nataliya im Dezember 2024